Archiv für den Monat: April 2017

Lernen für die Jägerprüfung

Gerade im Moment ich mich was ich mir da eigentlich angetan habe. Die Bezeichnung „grünes Abitur“ für die Jägerprüfung fand ich zunächst lustig, da ich wusste wie lange ich für mein Abitur gelernt habe. Jetzt, nach dem ich den Aufwand etwas überblicke dürfte der Lernaufwand für die Jägerprüfung im Umfang tatsächlich dem Umfang meines zweijährigen Leistungskurses Biologie entsprechen.

Zum Glück sind die Themen so vielfältig wie es die Aspekte der Jagd sind. Wildtierkunde, Jagdbetrieb, Hundewesen, Land- und Forstwirtschaft,  Waffensachkunde, Schiessbetrieb, Kulturelle Aspekte, Tierkrankheiten, Kulturbau, Jägersprache usw.

Ein ganzer Strauß an Themen. Als Einstieg hatte ich mir das Standarwerk von Seibt duchgeblättert, dann gelesen und dann probiert zu lernen. Schnell stellte ich fest, dass damit zu viele Fragen offenblieben. Hier kommen die Heintges Lernhilfen ins Spiel. Diese widmen sich einem Thema gezielt mit einer für meinen Lerntyp hervorragenden didaktischen Methode. Ich habe diese bei meiner Jagdschule im Bundle zum Vorzugspreis erworben. Dafür bekommt man dann einen ansprechenden Karton welche knapp 8 Kilo wiegt. Wissen wiegt schwer. Ich lerne jetzt mit dem Seibt als Themenüberblick und als Vertiefung zum Thema die Heintges Lernhilfen. Dann mache ich die Prüfung auf meiner iPad-App und schreibe die Dinge die ich nicht wusste auf meinen Block und lokalisiere damit die Wissenslücken zum Nachlernen. Ich bin begeistert wie schnell mein Fortschritt bei der Waffensachkunde ist und besorgt wie schlecht ich mir merken kann wann welche Tierart in welchem Alter welches Geweih abwirft. Hoffe da aber auf Tipps von meinem Ausbilder.

Meine beiden Themen die ich gerade nicht mag sind eben Wildtierkunde und Hundewesen. Ich als Katzenmensch finde Hunde jetzt einfach nicht so spannend, obwohl sie zum Jagen in vielen Situationen unabdingbar oder mindestens sehr hilfreich  sind. Darüber hinaus geben Begeisterte für ein Thema natürlich immer Vollgas und nach Anlesen von Zeitschriften wie Jagd und Hund komme ich zum Schluss, dass alle Vorurteile die ich über Dackelzüchtervereine bis dato hatte scheinbar nur die Spitze des Eisbergs waren.

Meine Youtubehistorie hat sich vollkommen auf das Thema Jagd fokussiert und Kanäle wie Der Waldläufer oder Der eine Jäger geben viel Infos und bringen spannende Denkanstöße. Mein Favorit aber ist jagdundnatur.tv mit vielen sehr spannenden Beiträgen zum Wildtiermanagement. Hier glaube ich sieht man gut wo die Reise hingehen wird und wie sich die Arbeit des Jägers verändern wird.
Beim Auto schaue ich mir gerade Pickups an und so langsam schleichen sich die ersten Jagdsprache Wörter in den Wortschatz.

Lernen insgesamt geht dank der mittlerweile sehr vielen Medien gut. Smartphone und Tablet kombiniert mit Buch, Heft und eigenen Mitschriften. So kann ich im Flieger meist knapp 150 Fragen üben (ja nach Flugstrecke). Ich frage mich nur wie ich in 100 Minuten 120 Fragen beantworten soll. Auf jeden Fall sehr sportlich, da sind andere Bundesländer sehr viel weniger fordernd.

Aber hey wir lernen ja nicht für die Prüfung sondern fürs Leben.

Erster Termin – Schießen

Heute war es soweit. Ich habe meinen Jagdtrainer und 3/4 der Kursteilnehmer kennengelernt. Und ich war sehr erleichtert. Der Trainer war ganz und gar nicht so unentspannt wie manche Ausbilder die ich in Youtube-Videos gesehen hatte. Meine Mitkursteilnehmer sind keine abgehobenen und arroganten sozial inkompetenten Schnösel welche die Jagd zur Netzwerkerweiterung nutzen möchten.
Also lauter ganz normale und nette Menschen. Zum Glück.

Als ich gegen 16:15h auf dem Schießplatz ankam war das Tor noch versperrt, OK, die abgemachte Zeit war 17 Uhr (ja, ich weiss, immer zu früh).  Also noch schnell beim gegenüberliegenden McDonalds einen Kaffee organisert und den wunderbaren Sonnenschein genossen. Um 16:30 wurde da Tor aufgeschlossen und die ersten weiteren Autos trafen ein. Also schnell ins eigene Auto gestiegen und hinterher. Auf dem Parkplatz des Schießstandes standen schon zwei Menschen neben ihren Autos, nach dem ersten Blick auf die grüne Kleidungsfarbe zu urteilen, ebenfalls Kursteilnehmer. Im Gespräch stellte sich heraus, dass die beiden Teilnehmer des Jahreskurses waren. Diese machen am gleichen Tag wie wir die Prüfung, haben dafür aber fast ein Jahr Ausbildung, also mehr als 3 Mal soviel Zeit wie wir. Im Gespräch war das auch sofort festzustellen. Es klang nach Jägersprache und die berichteten Erlebnisse von Drückjagdteilnahmen unterstrichen den vermuteteten Erfahrungsschatz. Ich werde mich anstrengen müssen in der kurzen Zeit zumindest beim Wissen nachzuziehen. Die Erfahrung wird bei mir erst nach der Prüfung das Erlernte festigen können. Aber das wusste ich schon vorher und dessen war mir bei der Wahl der Ausbildungsform auch voll bewusst. (Siehe Die richtige Jagdausbildung finden).

Nach und nach trudeltden die weiteren Teilnehmer ein und dann ging es los.

Zunächst gab es eine Einweisung mit Rundgang auf dem Schießplatz. Wir lernten von Horst unserer Standaufsicht, dass wir uns auf dem grössten Schießstand in Deutschland befinden und als Trivia, dass der aktuelle Tatort welcher am 2. April 2017 gezeigt wird auch Szenen hier gedreht hat.

Wir lernten die Sicherheitsvorschriften und bekamen Wurfscheiben, Kipp-Hasen, 100m Schießbahnen, laufenden Keiler, den Bunker (dort wo die Waffen sicher verwahrt werden können zwischen zwei Schießterminen) und sehr wichtig, das Restaurant kennen. Hier war ich sehr angenehm über die fairen Preise und die Freundlichkeit der Mitarbeiter überrascht. Eine Stimmung die sich quer über die meisten Personen die sich aus professionellen Gründen auf dem Platz befanden zuzutreffen schien. Gelöst, aber in Sicherheitsdingen sehr konkret. Eine Stimmung wie ich sie schon von des Schießständen aus den USA, vom Segeln und vom Tauchen kenne. Keine Angst haben, aber nie den Respekt vor der Materie verlieren und leichtsinnig werden.

Mit den 3 anderen Teilnehmer „meines“ Kurses durften ich die erste Station absolvieren. Kipp-Hase (ich schreibe das so, damit die Leser meines Blogs die richtige Aussprache und die Bedeutung leichter erfassen, ich war am Anfang immer beim Lesen über die Kipp-Phase gestolpert und hatte mich gefragt was das wohl sein soll 🙂 )

Ziel bei Kipp-Hase ist es eine Gruppe von 4 metallenen, nach hinten klappenden Metallscheiben, welche zuammen  das Profil eines Hasen haben, in der Bewegung zu treffen. Der Hase wird von links oder rechts in knapp 30 Meter (den genauen Abstand habe ich in der Aufregung gleich wieder vergessen) Entfernung am Schützen vorbei gefahren. Die Waffe welche geschossen wird ist eine Flinte. Diese verschießt Schrotladungen. Auf knapp 30 Meter ist die Schrotkugelwolke knapp unter einen Meter im Gesamt-Durchmesser, wobei zum Umkippen schon ein paar Kügelchen das Metall treffen müssen. Wir hatten zwei brandneue Blaser F3 dabei eine davon in Linkshänderausführung für einen meiner Mitschüler.

Gerhard zeigte uns vor dem Stand die Waffe und deren Handhabung, erklärte Sicherheitsverhalten und wies auf häufige Fehler hin. Besonders gut gefiel mir, dass auch der jagdliche Einsatz, sowie die vernünftige und die erlaubte Schussentfernung diskutiert wurden. Es geht beim Jagen ja nicht um das Treffen sondern um das schnelle Töten und das können zwei vollkommen verschiedene Dinge sein. Vor allem die Hinweise darauf lieber auf den Schuss zu verzichten als „schussgeil“ es zu versuchen fand ich sehr richtig. Ich hatte auf Youtube selbstgedrehte Videos von „Jägern“ gesehen, welche auf Drückjagden unter extrem ungünstigen Winkeln und schwierigem Schussfeld hinter dem Wild her schossen. Ich möchte gar nicht wissen was die Nachsucher da als Ergebnis gefunden haben.

Nach der Erklärung des Standes und schon fast natürlicher Festlegung der Aufgaben (Schiessen, Munition auspacken und 10 Schuss für den Schützen griffgünstig in einem Holzblock darpieren, Aufsammeln der verschossenen und ausgestossenen Hülsen nach dem Schiessen, usw. ) kam ich an die Reihe. Es wird mit einer Bock-Doppel-Flinte aus dem unteren Lauf geschossen.  Jagdliche Erwartungshaltung mit dem Schaft auf Hüfthöhe, Anschlag und zielen, Hase los, Vorhalten auf das erste Segment, Schuss, Rückschlag, Enttäuschung. OK, das ging ne ganze Ecke drüber. Waffe abkippen, wundern wie weit die Hülse dank der Ejektoren rausfliegt, neue Patrone aufnehmen und in den unteren Lauf laden. Warten bis der Hase zurück läuft.  Nächster Hase, tiefer zielen, Schuss. Vorbei. OK, ruhiger werden, tief durchatmen. Laden. Anschlag. Schuss. Das erste Segment fällt. Juhu. Erleichterung. Langsam fallen die einzelnen Ablaufschritte leichter, das Brechen der Waffe (Mechanismus entriegeln und die Waffe mit Kraft abknicken), das Zielen. Die Anspannung vor dem Schuss weicht einer leichten Vorfreude auf den Schuss.
Ich lerne welche Schwierigkeiten unser Linkshänder mit von rechts kommenden Hasen haben muss. Als meine Hasen von links komme (ich bin Rechtshänder) muss mein Körper mehr drehen und das Treffen wird anspruchsvoller.
Auf dem Schusstagebuch für heute werden für den Kipp-Hasen 2 Mal 7 Treffer von 10 möglichen Vorbeifahrten stehen. Ein gutes Ergebnis für das erste Mal. Nicht übermütig werden. Ich kenne das vom Golfen und vom Bowling spielen. Es gibt gute Tage und es gibt die meisten Tage und an diesen normalen Tagen werde ich mich fragen, ob ich jemals zuvor eine Flinte in der Hand hatte. Aber ich bin beruhigt. Ich habe niemanden erschossen und mich nicht verletzt. Die aufgeregte Unsicherheit ist einer aufgeregten positiven Anspannung gewichen.

Mir hat gefallen wie Gerhard uns trainiert hat. Erst mal machen lassen uns unsere Erfahrung machen lassen, dann sehr sparsam Tipps geben und immer auf Fragen mit dem Ansatz des „Verstehen lehrens“ antworten. Ich habe nicht das Gefühl ein unwissender Schüler zu sein, sondern fühle mich voll im Erfahrungsmodus, verinnerliche, lerne beim Machen.

Die nächste Station ist 100m sitzend auf die Rehbockscheibe. Hier wird mit einer Sauer 101 Büchse im Kaliber .308 Winchester geschossen. Ein Unterschied zu einigen Jagdkursanbietern die mit einem kleineren Kaliber (z.B. .223 Remington) schiessen um den Teilnehmern einen kleineren Rückstoss und sich selbst als Nebeneffekt geringere Kosten pro Teilnehmer (.223 Rem. Patronen kosten ungefähr die Hälfte von .308) zu verschaffen.
Ich finde es vernünftig und sinnvoll in einem Kaliber zu schiessen in welchem später wahrscheinlich meine erste eigene Büchse kaufen werden Kaliber . 223 Rem. ist in Deutschland wegen einer Auftreffenergie von meist unter 2kJ in 100 Meter Schussentfernung (E100) nicht für Hoch- und Schwarzwild erlaubt). Kaliber .308 Win. schaffte i.d.R. Eine E100 von mind. 2,5kJ und ist in Deutschland mittlerweile ein beliebtes Allroundkaliber.

Die Einweisung in den Schießstand und in die Waffe laufen wie gehabt professionell und unaufgeregt. Meine ersten 5 Schuss mit der Büchse sind an der Reihe. Ich nehme meine 5 Patronen und drappiere sie in einem Patronenhalter. Aufnahme das Gewehrs, Patrone in die Kammer einlegen, Verschluss schliessen, in Anschlag gehen, Blick durch das Zeiss-Zielfernrohr. Hoppla der Bock ist doch ziemlich klein und die Mitte des Fadenkreuzes zittert sich so über die Fläche. Ok, zur Ruhe kommen, Ausatmen, erneut in den Anschlag gehen, zielen und fliegen lassen (Abdrücken in Jägersprache). OK, das ist ein Rückstoss, nicht zu Vergleichen mit der Flinte mit der zahmen Übungsmunition. Durch das Zielfernrohr blicken wo der Anschuss war. Keine Ahnug, nicht zu erkennen. Also Verschluss öffnen, Hülse wird ausgeworfen, nächste Patrone einlegen, mental auf den Schuss vorbereiten und fliegen lassen. Trefferlage wieder nicht zu erkennen, aber bei dem schwindenden Licht und dem mittlerweile nur noch aus Aufklebern bestehenden Zielbereich auf der Scheibe wahrscheinlich nicht verwunderlich. Als nach dem letzten Schuss die Scheibe vor mir zum Stehen kommt sehe ich 4 Löcher in verteiler Streuung von 3 bis 10. Moment 4? Es waren doch 5 Schüssen. Oh Mann da habe ich am Anfang wohl noch nicht mal die Scheibe getroffen. Es klärt sich auf, als der Schütze rechts neben mir auf seiner Scheibe ein Loch zu viel findet. Ich hatte mich scheinbar so darauf konzentriert die richige Scheibe zu treffen, dass ich in meiner Aufregung am Anfang wohl dann genau die Nachbarscheibe ins Visier nahm. Passiert mir nie wieder. Habe ich gelernt.

Die zweite Reihe mit 5 Schüssen lege ich anders auf. Der Schaft liegt jetzt direkt auf dem Holz auf, meine linke Hand ruht auf meinem rechten Oberarm. Der Anschlag wird gleich sehr viel ruhiger, das Ergebnis mit 3 mal 10 und 2 mal 9 sehr viel besser. Dem Hinweis von Gehrhard, dass im jagdlichen Einsatz mit dieser Auflage die manchmal benötigte Flexibilität nicht gewährleistet sein muss ich unumwunden zustimmen. Ich denke es war mein Ehrgeiz, dass ich nach dem ersten Schussbild mir selbst beweisen wollte, dass ich das kann. Somit habe ich die Aussenbedingungen so verbessert, dass ich Erfolg hatte. Aber es ist wie immer im Leben:
Nur dass was unter suboptimalen Bedingungen gerlernt wird funktioniert auch unter optimalen Bedingungen. Umgekehrt ist das selten der Fall. Also das nächste Mal die Linke Hand unter den Schaft und Realität üben.

Gegen 21 Uhr trennen sich unsere Weg und ich mache mich zufrieden auf die 1,5 Stunden Rückreise. Nette Menschen kennengelernt, ganz vernünftig beim Schießen angestellt und Vorfreude auf den nächsten Termin im Herz. Was will ich mehr?